Unterwegs in der kalten Natur.
Ich ziehe meine Kaputze über den Kopf, die Hände zurück in die Ärmel meiner Winterjacke. Schritt für Schritt wate ich durch den Schnee. Dort vorne beginnt der See und an seinem Ufer sehe ich das zugefrorene weisse Bord.
Ich bleibe stehen, lasse die Kälte auf mich wirken. Sie ist da, ich stehe mittendrin. Es ist still und ich horche in die Weite. Ein einsames Krähen, sonst nichts.
Die Sonne geht gerade auf und die ersten Strahlen treffen auf das Eis. Ich lasse mich berühren von diesem bezaubernden Augenblick und spüre ein Kräuseln und Ziehen in meinem Herzen. Es regt sich Freude, Dankbarkeit, ein Glücksgefühl macht sich breit. Und dann höre ich es knacken. Etwas bricht auf.
Ich stehe da und lausche, warte, schaue.
Immer mehr und öfter knackt es im Eis und ich kann kleine Veränderungen darin erkennen, Risse und Spalte. Das Eis bricht. Und ich sehe zu.
Das bisschen Sonne brachte die Veränderung. Es muss gestern schon begonnen haben und an all den sonnigen Tagen davor.
Ich weiss, dass das Eis wieder zu Wasser werden wird und ich bin froh darüber. Denn ewig kann es nicht so bleiben. Wenn es erst mal zu tauen beginnt, ist das Fliessen nicht mehr aufzuhalten, ein tiefgreifender Wandel setzt ein und Wunder finden statt. Ich freue mich auf die Wärme, auf mehr Bewegung und Wachsen, auf den Frühling, den Aufbruch.
Noch ist Winter, doch der Sommer wird kommen.
AUFBRUCH – wir selber können die Sonne sein, ich und du und wir zusammen.
Und das Eis wird schmelzen, wir werden uns wieder begegnen und umarmen ohne Maske und ohne Angst. Denn der Tag wird kommen, wo es mehr schmerzt auf Abstand zu gehen, als in der Angst zu verharren. ...wo die Sehnsucht uns zum Risiko ermutigt. ...wo die Kontrolle dem Vertrauen weicht, die Zahlen vom Leben eingeholt sein werden:
Wir sind hochansteckend und unermüdlich stecken wir einander an mit unserem Lachen, unserem Mut und unserem Vertrauen ins Leben. Wir leben einander vor, wie dankbar wir sind für unsere Gesundheit, wie wichtig uns natürliche Ressourcen sind und wir verbinden uns mit Achtung mit dem Leben und allem Lebendigen und schützen, hegen und pflegen es. Wir zeigen einander, dass wir unseren Gedanken und Worten Taten folgen lassen und wie aus unseren Taten Haltungen erwachsen, die dem Lebendigen dienen.
Wir werden zurückschauen auf Vieles und uns fragen, wie wir in der Eiszeit landen konnten und uns so seltsam verhielten. Und wir werden auf einmal erkennen, dass es dieser Schritte bedurfte, um uns bewusst zu werden, worauf es im Leben ankommt und wie stark wir miteinander verbunden sind.
Unser Weg wird uns weg führen von Leistungsdenken, Konsum, Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit und der manischen Suche nach unabhängiger Freiheit und grenzenloser Ausbeutung.
Wir stillen unsere Sehnsucht nach Verbindung im gemeinsamen Erschaffen von Neuem, im respektvollen Umgang miteinander und in der Achtung der Würde jedes einzelnen Lebens. Und vielleicht werden wir wieder lernen, dass weniger eigentlich mehr bedeutet.
Denn wir alle sind Lernende, Erwachende, Erkennende.
Und ich glaube tief in meinem Innern:
Wenn wir nur das tun, was wir für möglich halten, werden wir bleiben, wer wir sind. Erst wenn wir mehr tun, als wir glauben zu können, ist Veränderung möglich. Wir können nicht dieselben bleiben und dennoch schöpferische Innovationen wollen.
Das NEUE. Es werde und es wachse. Langsam aber stetig. Die Natur wird uns führen und die Liebe leiten. Und all das beginnt im Herzen.
Herzlich und für dich persönlich
Edith