In einem ausführlichen Artikel über die Antarktis, die Eisschmelze und die Zusammenhänge der aktuellen Situation unserer Erde las ich ganz am Schluss einen Satz, der mir hilft, mich zu orientieren im Schreckensszenario der vielen Meldungen und Erkenntnisse über den  Klimawandel. Anthony Leiserowitz, ein Forscher an der Yale University, der versuchte, den Klimawandel in fünf Sätzen zu erklären, drückte es folgendermassen aus:

„It’s real. It’s us. Experts agree. It’s bad. There’s hope.

Es ist wahr.

Wir sind verantwortlich.

Die Fachleute sind sich einig.

Es ist schlimm.

Es gibt Hoffnung.

Fünf Sätze, die Orientierung geben. Zuerst die Bestandesaufnahme und die Verantwortung dafür, dann nach dem Schrecken: die Hoffnung.

Doch wo finde ich sie immer wieder neu, die Hoffnung? Ist es nicht irgendwie vermessen zu sagen, man könne noch hoffen, wenn allgemein bekannt und unterdessen erwiesen ist, dass es passiert, lediglich Unklarheit darüber herrscht, wann es wie schlimm sein wird?

Die Hoffnung bestehe darin, dass wir jetzt nach wie vor reagieren können. Damit nicht noch mehr Menschen sterben, als wenn man nichts tut.

Verhält es sich überall so, dass mit dem Bewusstsein der Schwere, mit der ehrlichen Bestandesaufnahme bereits ein erster Schritt getan ist?

Aus der Sicht meiner Arbeitsrealität behaupte ich, dass es der wichtigste Schritt überhaupt ist, etwas zu erkennen und mehr und mehr zu verstehen, zu sehen was wahr ist, anzuerkennen, dass ich die Verantwortung dafür trage, einzusehen, dass es eine Notlage ist.  Diese Dringlichkeit zu spüren und ehrlich anzunehmen, mich von der Tragweite berühren zu lassen und mir bewusst zu werden, dass es höchste Zeit ist, läutet die Veränderung ein. Wenn noch nicht in Taten, so doch wenigstens bereits in Gedanken.

Jedes Seminar, jede Lehre und jede Katastrophe bringt etwas zu Tage, was zuvor noch nicht bewusst war. Und damit lässt sich dann auf andere Art und Weise weitergehen. Und früher oder später werden aus neu gedachten Gedanken Worte werden und darauf Taten folgen.

Und wenn etwas hoffnungslos aussieht und deshalb alle Kraft, der Glaube an eine Besserung oder der Mut für weitere Schritte fehlen?

Was Menschen an der Grenze von Leben und Tod für unglaubliche Kräfte entwickeln, kann ich aus  Dokumentationen über Everestbesteigungen, Arktis- und Antarktisforschung, Abenteuer in der Wüste, auf hoher See, bei Katastrophen etc. entnehmen und einfach nur staunen.

Und schliesslich kommt mir der Tatsachenbericht einer Rugbymannschaft aus Uruguay in den Sinn, welche1972 auf dem Weg zu einem Spiel nach Santiago de Chile in den argentinischen Anden mit dem Flugzeug abstürzte. Die jungen Urugayer landeten von einem Augenblick zum anderen in einer aussichtslosen Situation, mitten im Schnee auf knapp 4000 m in den Bergen, weit und breit allein und auf sich gestellt. Es gab Überlebende, Verletzte und Tote. Nach acht Tagen wurde die Suche nach dem verschollenen Flugzeug aufgegeben. Es wurde ein Kampf ums Überleben mit sich aufeinanderfolgenden ständig neuen Herausforderungen, eine schlimmer als die andere. Doch die Jungs suchten nach Lösungen und erfanden Strategien, ungewohnte und auf den ersten Blick sogar unethische. Doch sie überlebten, weil sie bis zum Schluss an ein Überleben glaubten.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Überlebenswille schält die Prioritäten heraus und lässt Unwichtiges weg.

Noch haben wir offensichtlich zu viel Ablenkung und ein zu gutes Leben, oder einfach zu wenig unmittelbare Not um den Ernst der Lage zu verstehen, was uns inne halten lassen würde. Würden wir wirklich verstehen wollen, müssten wir uns berühren lassen, ohne dass es uns lähmt und so könnte es uns in die Handlung führen.

Und ich nehme mich da gar nicht raus. Wir können es uns leisten, wegzuschauen. Doch wie eine Krankheit, die sich ihren Weg ganz langsam aber stetig durch die Gegebenheiten eines menschlichen Körpers bahnt, ist auch der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten. Der Eiswürfel schmilzt, wie lange es geht, ist nicht voraussehbar, es ist nur noch eine Frage der Zeit.

Und ich staune, dass dieser grosse weltbewegende Prozess der Veränderung sich praktisch gleich verhält, wie jeder einzelne, kleine Prozess in unserer eigenen kleinen Welt, in jeder einzelner unserer Zellen. Die Gesetze sind dieselben und unser Verharren in Gewohnheiten leider auch. Steter Tropfen höhlt den Stein, egal in welche Richtung, es höhlt.

Dabei können wir noch vieles Tun.

Ich übe schon mal Veränderung im Kleinen, das Anpacken von Unstimmigkeiten im Innen und das Umsetzen von Hoffnung, das Üben von Mut, der Umgang mit Verzicht und Freiwilligkeit. Innere Stärke hilft Krisen besser zu meistern.

In diesem Sinne herzlich und für dich persönlich

 

Edith

 

 

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