Ich grüsse dich, doch du bist weit weg, du siehst mich nicht. Da wird mir klar, dass es nicht die Distanz ist, die uns trennt. Es ist dein Tempo, dein Programm, die Termine, die Pflichten, die Kinder, Partner/in... alles rund um dich, das dich umtreibt und besetzt.

Schade, finde ich und würde dir gerne raten: mach mal Pause. Solange du sie selber wählen und gestalten kannst...

Weißt du noch, dieses Jahr im April? Wie hast du dich gefreut über die viele Zeit, zuerst zwar noch ein wenig gemotzt und dich geärgert, doch als du mal auf den Geschmack gekommen bist, konntest du es richtig geniessen. Es war ja legitim!

Nun ist die Normalität wieder da für dich. Du bist im Aussenbereich, schon wieder am Stressen. Im Hamsterrad.

Da bist du in guter Gesellschaft: Stress ist unterdessen eine Volkskrankheit. Wir sind eine Leistungsgesellschaft, definieren uns über das, was wir leisten, denn dann kommt, zumindest am Anfang, Anerkennung, Liebe, Aufmerksamkeit, Geld und Macht.

Es ist nicht nur die Arbeit, ich kenne auch Freizeitstressler. Von einem Event zum andern. Ein Berg nach dem andern. Ein Buch/Film nach dem andern, ein Essen nach dem andern etc. ohne Pause zum verdauen, sich erholen oder reflektieren.

Dafür kommen die Pausen dann in der Nacht, wenn du todmüde ins Bett fällst und einfach nur schlafen willst. Unruhig bist du, wachst immer wieder auf, kommst nicht zur Ruhe, schläfst nicht durch. Selbst dann, wenn dich nichts Besonderes belastet oder beschäftigt. Es ist dir zur Gewohnheit geworden, stört dich zwar, doch was soll’s. Es gibt doch für alles eine Pille. So wie auch für den Blutdruck, die Schmerzen etc.

Wenn ich dir begegne gleicht dein Blick all den andern Blicken, die mir wieder öfter begegnen. Sie zeigen, zwar gut getarnt, etwas Gehetztes, Unzufriedenes, Verletztes, Übergangenes oder Trauriges, manchmal ist es Frust, Hoffnungslosigkeit, Abgelöschtsein, manchmal Wut und Aggression. Und das Lachen ist oft näher dem Weinen.

Doch das alles ist gut verschlossen im Inneren und ruht in der Dunkelheit gleich hinter der Maske. Es ist ja nicht so wichtig.

„Wie geht es dir?“ Ich frage es aus echtem Interesse, zurück kommt ein nicht zu bremsender Schwall Wörter in Abwehr gekleidet, die mich oder dich beruhigen sollten oder ablenken. Doch so leicht lasse ich mich nicht täuschen, übersetzt und unausgesprochen würden deine Worte in etwa bedeuten: „Komm mir nicht zu nah, ich will nicht in die Tiefe schauen. Weiss schon, dass ich vieles ändern könnte, doch nicht jetzt! Also lass mich, ich wurstle mich durch so gut ich kann. Ist mein Leben.“

Ich sage nichts, gebe dir höchstens recht, denn es ist ja wirklich dein Leben und es liegt in deiner Verantwortung. Ich sehe nur einen kleinen Teil, nur dein Programm im Aussen. Wann bitte, sollte da noch Platz für Pausen sein?

Also was mache ich mir die Gedanken, die eigentlich du dir machen solltest? Ich lasse es bei dir und gehe weiter.

Pause machen, innehalten, es gehört in meinen Tagesplan. Ich hole mir bewusst Kraft, gehe in die Natur und nähre mich. Damit ich leisten kann, brauche ich dieses Innehalten, mein Gleichgewicht zwischen geben und nehmen.

Während Corona gab es einen Fahrradboom, nun stecken wir im Wanderboom, Ferien-in-der-Schweiz-Boom, Entdeckerboom. Alles wunderbar, ich hoffe es wirkt nachhaltig. Entwicklung braucht Zeit, wir stecken mitten drin. Es gibt viele tolle Ansätze, Ideen, Neues im Aussen! Denn viel Gutes wird in der Not geboren, schön, wenn es wachsen und bleiben darf.

Doch Wachsen beginnt von innen heraus und deshalb stelle ich unbequeme Fragen:

Wie sieht es in deinem Innern aus? Was sagt die innere Ordnung?

Bist du bereit für einen not-wendigen Paradigmawechsel, eine Klärung, die Begegnung mit deinem inneren Kind?

Stellst du dir mutig unbequeme Fragen oder verfolgst du deine vor Jahren gegebenen Antworten, auch wenn sie eventuell gar nicht mehr stimmen könnten?

Wie sieht es aus mit so altmodischen Begriffen wie Vergebung, Verzeihen, Würdigen?

Wo findest du Dankbarkeit?

Woher kommt dein Leben und wie gestaltest du es?

Wie erlebst du dich in Beziehungen, in der Familie?

Schöpfst du dein Potenzial aus, hüpft dein Herz vor Freude, bist du manchmal glücklich?

Wir sind eine komische Spezie, uns Menschen scheint man geradezu zum Glück zwingen zu müssen: freiwillig den steinigen Weg betreten wir nur ungern. Klar, ist jedem sein eigenes Bier, ob er den Pausenknopf betätigt oder nicht. Irgendwann ist dann schon mal Ruhe: Ruhe in Frieden. 😉

Herzlich und für dich persönlich

 

Edith

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