„Dieses Auf und Ab ständig, das macht mich ganz schön hibbelig!“

Das hat was! Gestern Schnee heute Sonne.
Und vorgestern war es frühlingshaft im Tal unten und da lockte mich das Wetter auf den Wildspitz. Der Name passt: beim Kreuz auf der Spitze tobte ein wilder Wind, blies volle Pulle und zerzauste auch den Allerletzten, der den Berg heraufstieg. Da oben war es kalt, doch drei Jacken übereinander hielten mich warm, die Kaputze über den Ohren tat mir einen wertvollen Dienst.
Die Naturgewalt zu spüren tut gut. Zu erleben, dass da eine Kraft ist, die ich nicht steuern kann, versetzt mich immer wieder in Staunen und macht mich klein. Doch neben diesem ehrfürchtigen inneren Er-beben ist da auch ein grosses Vertrauen. Ich bin aufgehoben und getragen von der Kraft dieser Natur. Der Wind bläst, ich schaue wie Wolken sich bewegen, sehe Büsche und Bäume sich biegen, höre das gewaltige Sausen und Brausen und nehme mich als Teil dieser Bewegung wahr. Ich bin nicht abgetrennt. Ich gehöre dazu, da hinein, hierhin.
Wir alle werden von einer Bewegung mitgenommen, gesteuert, geführt und getragen.
Es gibt ein wenig Spiel, wo und wie ich mitbestimmen kann und mitgestalten. Doch die Steuerung des Gesamten liegt nicht bei mir.
Ich habe Möglichkeiten, kann ausweichen oder mich stellen, kann mich dementsprechend wappnen und schützen, mich so oder anders verhalten. Der Wind bläst so lange, bis die Thermik einen anderen Weg vorgibt. Dann flaut er ab, verwandelt sich oder zieht sich zurück.
Früher faszinierte mich die Idee des Wettermachers, so wie er als Zauberer von Oz inszeniert wurde. Doch das funktionierte nicht, war alles nur Schwindel: wer wäre denn fähig, all die Fäden in der Hand zu halten, die unsere Welt benötigt um einfach nur so zu sein, wie sie ist? Weder besser noch schlechter.
Mit zunehmendem Alter bin ich froh, nicht für alles Verantwortung tragen zu müssen und einfach nur Teil eines grossen Ganzen zu sein.
Im Laufe der Jahre habe ich vieles losgelassen. Und meine kleine Welt erscheint mir meistens gross genug um für sie zu sorgen, Ordnung zu halten, gesund zu bleiben, mein täglich geschenktes Glück zu sehen und zu hegen, die Familie wertzuschätzen, Freundschaften zu pflegen, das Umfeld zu achten usw.
Das sei ein wenig zu einfach, wendest du ein und sagst, dass es doch um Gemeinschaft geht und um die Verantwortung für das Ganze, um politisches Denken und um ein soziales Miteinander, empathische Werte, Mitgefühl, Verantwortung für die Welt.
Natürlich. Das schliesst sich ja nicht aus.
Ich beobachte verschiedene Herangehensweisen. Von Aussen nach Innen zum Beispiel. Vom Grossen ins Kleine kommen. Das macht wissenschaftlich Sinn, ist ungemein spannend und ich bin dankbar für all die Denker und Macher, die komplexe Zusammenhänge sehen und sie zusammenbringen.
Ich selbst komme von Innen nach Aussen. So wie die Natur, Wachstum von innen, langsam aber stetig. Auch ich strebe dem Licht entgegen, versuche die Dunkelheit zu überwinden und mich wie der Phönix aus der Asche in den Himmel zu schwingen. Doch vorerst will ich klären, verstehen, bereinigen, annehmen und wieder loslassen.
Denn wenn ich in meinem Inneren klar bin, spüre ich den Boden unter meinen Füssen, kann dem Wind die Wange bieten, halte Stand, geniesse die gute Luft und erlebe mich als Teil dieser einen Welt.
Und genau so kann ich mich der Welt mitteilen, sie bereichern und erfüllen ... denn dafür sind wir alle "wie geschaffen" 🙂 . Auch Du.
Herzlich und für dich persönlich
Edith

 

 

 

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