Da gibt es diesen Witz vom betrunkenen Schlüsselsucher, der unter der Strassenlampe sucht, obwohl er den Schlüssel gar nicht dort verloren hat. Auf die Frage, warum er denn dort suche, meint er: „weil es da hell ist!“

Tun wir das Gleiche?

Wie oft suchen wir am falschen Ort, dort wo es versprochen wird, wo es hell und verführerisch aussieht ... wo wir uns vorstellen, dass es sein könnte und wiederholt vergebens suchen.

Wir wollen alles schnell und sofort erreichen. Auch auf die Gefahr hin, dass sich das Schnelle im Rückblick  als das Zeitintensivere entpuppt!

Wir wissen, es gäbe den anderen, etwas mühsameren Weg, welcher länger dauert, mit Aufwand verbunden ist und Werte wie Genauigkeit, Geduld, Ausdauer, Ehrlichkeit und Zeit erfordert. Vergleichbar mit dem Tappen in der Dunkelheit und dem Vortasten Schritt für Schritt.

Was ist mit der Stille, dem kleinen Glück, der verborgenen Kraft, dem Wachsen im Dunkeln, dem Vertrauen, der Bitte ... ?

Wenn mein Vater arbeiten ging, sagte er manchmal lachend: „Ich gehe Brötli suchen.“ Und er war stolz, unsere achtköpfige Familie mit seinen Brötchen zu ernähren.

Dranbleiben, durch Krisen hindurch, Schmerz zulassen, Dunkelheit aushalten, Ungewissheit annehmen, kleine Schritte gehen, sich hingeben und trotzdem nicht aufgeben.

Unsere Zeit möchte Schmerz, Krankheit, Sterben verhindern. Doch Emotionen lassen sich nicht wegdiskutieren, schönreden oder kommandieren. Lebendigkeit geht ihren eigenen Weg.

Warum gehen wir unserem Schmerz so vehement aus dem Weg wie der Betrunkene, der nur im Licht sucht?  Er kann sein Leben lang unter der Lampe nach dem verlorenen Schlüssel suchen, niemand wird ihn davon abhalten, ausser einige hartnäckige Helfer vielleicht. Und er wird wieder zur Lampe gehen, wenn er nicht versteht, dass er dem Vordergründigen vertraut und sich in einer Sackgasse befindet.

Die Suche in der Dunkelheit verspricht einen Weg mit vielen wichtigen Entdeckungen und Erkenntnissen. Selbst wenn der Schlüssel nicht mehr gefunden wird, kommen Zusammenhänge ans Licht und wird etwas viel Wesentlicheres gefunden: ich bin mir begegnet.

Unsere Zeit mit Covid 19 scheint mir wie das Tappen im Dunkeln einerseits und das Suchen unter der Lampe anderseits.

Auch ich weiss nicht, wo wir nach dem Schlüssel suchen müssen, um ihn zu finden. Ich weiss noch nicht einmal, wie dieser Schlüssel aussieht. Doch ich glaube nicht, dass er dort liegt, wo das Licht der Lampe hinfällt, sonst hätten wir ihn längst gefunden.

Wir brauchen Lichter, die auch in dunkle Ecken zünden, es braucht Zeit, Nerven und Geduld, und das Miteinander aller: Führungskräfte, Experten, Wirtschaft, alternativ Denkende und uns ganz normale Alltagsmenschen.

Meldungen, Massnahmen, Verhaltensregeln, Schutzkonzepte, Gedanken und Taten können wir reflektieren mit der Frage  „dient dies dem Suchen unter der Strassenlaterne oder bringt es Licht in eine dunkle Ecke?“

Natürlich kann ich den Staub unter der Laterne immer wieder neu untersuchen und bekannt geben, wie er aussieht, was zu tun sei, damit er weniger wird usw. Doch das ist nicht alles, das ganze Feld umfasst mehr als den Lichtkegel unter der Laterne. Auch für den Schauplatz neben der Bühne tragen wir Verantwortung. Und je länger wir uns leisten wegzuschauen, desto mehr rumort es im Dunkeln.

Denn ich persönlich glaube, dass wir viel mehr verloren haben als nur den Schlüssel, nach dem wir suchen.

Das wiederum macht mir Hoffnung: Wir könnten in dunklen längst vergessenen Ecken finden, woran wir uns gar nicht mehr erinnern, es verloren zu haben!

Erinnern wir uns also an die Lebendigkeit und tun wir, was dem Leben dient.

Ich kann zum Licht werden, das erhellt oder zum Suchenden unter der Strassenlaterne.

 

Herzlich und für dich persönlich

 

Edith

 

 

 

< zurück