„Es ist alles etwas einfacher geworden, weniger, schlichter.“

Ist es das? Oder kommt es dir nur so vor?

„Wir brauchen weniger Geld, weil wir weniger shopen gehen. Wir verdienen ja auch nur noch 80 Prozent vom ursprünglichen Lohn, einige noch weniger. Und unser Bewegungsradius ist kleiner geworden.“

Und was ist das Schlimme daran? An einem „Weniger“ sterben in unserem Kulturkreis nicht sehr viele Menschen. Mit oder ohne Virus. Findest du Verzicht und Einschränkung schlimm?

Ah, weil es nicht auf freiwilliger Basis erfolgt! Ja das hat was.

Freiwillig leisten wir Unglaubliches wie zum Beispiel eine Hungerkur, eine Schönheits-OP oder einen Bungie Jump. Wir betrinken uns freiwillig, rauchen freiwillig, besuchen die überlaute Disco, wo wir uns kaum unterhalten können, schlafen zu wenig, essen zu viel... alles freiwillig. Jede(r) in seiner eigenen Abteilung. Stimmt, Freiwilligkeit ist eine grosse Kraft.

Also, du findest es schlimm, weil uns der Staat empfiehlt, uns zu schützen? Es fühle sich aufgezwungen an?

Ja, auch das hat was.

Und ich finde es nervig, dass es immer Unzufriedene, selbsternannte Experten, Rechthaber und Besserwisser gibt. Egal was angepackt wird, entschieden, vorgeschlagen oder durchgeführt. Ähnlich wie beim Thema Schule: jeder redet mit, weil jeder glaubt, etwas davon zu verstehen und überhaupt. Da wird kritisiert und verurteilt ohne Ende.

Schade, denn echtes vorurteilsloses MIT-reden ist ein guter Ansatz, man kann vieles Lernen dabei. Doch dafür braucht es Verständnis und Interesse für ein Gegenüber. Im Gespräch bleiben, zuhören, mitdenken, anerkennen, annehmen oder loslassen.

Demokratische Werte. Genau dies praktizieren wir in der Schweiz. Damit kennen wir uns aus.

Durch das Coronavirus kommt vieles ins Wanken. Wenn es am eigenen Leib wehtut, sieht halt alles ein wenig anders aus. Da will man recht haben, schimpfen, wütend sein, ausrufen, anklagen oder leiden... man hat das Recht dazu!

Aber klar doch. Kann man ja alles.

Doch kommen wir damit weiter. Im Kampf? Zahn um Zahn? Mit Rechthaben? ...

Wir sind eine Demokratie in der Krise. Echtes Miteinander ist gefragt: aufeinander hören, einander achten, Verständnis füreinander entwickeln, Interesse bekunden, Fragen stellen, einander ehrlich begegnen, Augenhöhe, Grenzen respektieren, Schwächen zulassen, Fehler tolerieren, etwas mittragen, um etwas ringen, sich entschuldigen.

Doch so einfach ich dies sage, so schwierig ist es, diese Werte auch zu leben. Besonders in der Krise. Bei Differenzen. Verschiedenen Ansichten. Engpässen. In der Quarantäne.

Familie, Team, Schule, Gemeinde sind Übungsfelder. Es ist Arbeit und Dranbleiben.

Eine Demokratie basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Wo bleibt dein Vertrauen in der Krise?

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“

Na ja, wenn das deine einzige Erfahrung im Zusammenhang mit Vertrauen ist, dann bist du fast ein wenig zu bedauern. Denn wenn deine Kontrolle sich an den Zahlen festklammert, verlierst du das Ganze aus dem Blickfeld. Und verzeih, es ist auch nicht besser als alles andere, eben nur eine Teilsicht.

Wie ich das Ganze sehe?

Es ist, wie es ist. Ich will nicht recht haben und es interessiert mich auch nicht, wer recht hat. Ich stehe dazu, dass es Fehler gibt und Irrtümer, dass nichts perfekt ist und einiges falsch läuft. Die vielen Schlagzeilen bringen oft mehr Unruhe als nötig. Doch wenn ich mich in meinem realen Umfeld etwas umhöre, werde ich still. Persönliche Schicksale berühren, Erfolgsgeschichten erfreuen mich.

Und wenn es dann am Ende der Krise heisst: es war ja gar nicht so schlimm, wie es befürchtet wurde, dann werde ich dankbar sein statt darüber zu fluchen und werde mich an dem orientieren, was Gutes dabei entstanden ist. Vorwärts schauen, vorwärts denken, vorwärts gehen.

Resilienz würde man das vermutlich nennen.

Und ich hoffe, dass wir möglichst resilient auf diese Krise antworten können.

Dass wir das Wesentliche im Auge behalten und die Chancen finden.

Dass wir aus dem Vollen schöpfen und uns mutig und kreativ dem Neuen zur Verfügung stellen.

Da wärst doch du genau die richtige Person zum Mitmischen! Weißt du: freiwillig 😉

Herzlich und für dich persönlich

Edith

 

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